Ende April wurde die Kooperation von vier Parteien in Biebertal beschlossen. Im Artikel des Gießener Anzeiger dazu vom 27.4. ist mehrfach zu lesen „unter schwierigsten finanziellen Rahmenbedingungen Verantwortung …zu übernehmen“, sei den Partnern bewusst, „dass die finanziellen Rahmenbedingungen in Biebertal schwierig sind.“ Trotzdem sollen die gesteckten Ziele erreicht werden. … Und weiter: Dafür müssten die Kosten der Verwaltung und sämtliche Ausgaben auf Nutzen und Wirtschaftlichkeit geprüft werden. Welche Einsparungsmöglichkeiten gibt es? Was bringt es, wenn man – bei bestimmten Vorhaben – mit mehreren Gemeinden zusammenarbeitet? Werden alle – auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene angebotenen Fördermöglichkeiten konsequent ausgeschöpft ?
Als gewöhnliche Bürgerin interessiert mich natürlich, wie hoch Einnahmen und Ausgaben der Gemeinde denn sind, und ob die finanzielle Situation tatsächlich so schwierig ist.
Hier mein Versuch, mich „schlau zu machen“.
Elke Lepper hat dankenswerterweise am 9. März auf Facebook einen Beitrag dazu geschrieben, dessen Zahlen ich in der Tabelle unten etwas konzentrierter wiedergebe. – Genauere Zahlen siehe unten über Bürgerinformationssystem unter 1*)
Haushalt 2020/21, Tabelle (von Ev. Renell) nach E. Lepper:
Frau Lepper hat für etliche Posten keine Angaben gemacht; das würde ohnehin den Rahmen eines Facebook-Eintrages sprengen. Allerdings verweist sie auf ein Beratungsgespräch von Biebertaler Kommunalopolitikern mit Mitarbeitern des Hessischen Rechnungshofes, das im Januar stattfand. Wegen der Corona-Einschränkungen konnten die Ergebnisse dieses Gespräches bisher gegenüber den Biebertaler Bürgerinnen und Bürgern nicht erläutert werden. Doch wäre es wünschenswert, wenn so eine Veranstaltung nachgeholt würde oder auf der Gemeinde-Homepage veröffentlicht wird.
Einsparungsvorschläge des Rechnungshofes seien unter anderem gewesen: „Prüfen, ob wir uns das Hallenbad weiter leisten können, Biebertal hat zu viele Spielplätze (evtl. schließen), prüfen, ob jeder Ort ein eigenes Bürgerhaus braucht, Anpassen der Kindergartengebühren für U3-Kinder, Sportstätten an Vereine übertragen usw.“ *3)
Frau Lepper meint dazu „Fazit des Beratungsgespräches für mich: Haushalt saniert, Gemeinde tot. Und das wollen wir alle nicht. Deshalb ist es wichtig, nichts zu versprechen, was nicht gehalten werden kann und vor allem gemeinsam nach Lösungen zu suchen, wie ein für alle lebenswertes Biebertal erhalten bleibt.“
Meiner Ansicht nach fehlt bei den Einnahmen ein entscheidende Posten, mit dem auch gegenüber dem Hessischen Rechnungshof argumentiert werden sollte.
<<<<<<<<<Fortsetzung des Beitrages von der Nachrichtenseite>>>>>>>>
In Biebertal gibt es einen außergewöhnlich hohen Anteil an ehrenamtlicher Tätigkeit. Diese Leistungen sollten als geldwerte Sachleistungen in die Einnahmen eingerechnet werden. (Übrigens könnten sie dann den Ehrenamtlichen auch steuermindernd angerechnet werden). Über die verwaltungstechnische Realisierung mache ich mir hier keine Gedanken. Ich weiß jedoch, dass es bei Parteien und Vereinen so etwas in den 80er Jahren gegenüber dem Finanzamt gab.
Der Rechnungshof orientiert sich offenbar an der Schwarzen Null. Viel sinnvoller finde ich es, wenn die Gemeinden über die bestehenden Institutionen*4) mehr Druck aufbauen würden, damit sie einen größeren Anteil am Steueraufkommen erhalten. Denn die grundgesetzliche Vorgabe (Artikel 106 GG) wurde 1970 erstmals erfüllt, indem die Gemeinden 14% von der Lohn- und Einkommenssteuer erhielten. 1980 wurde dieser Betrag auf 15% erhöht. Meiner Ansicht nach wäre es 40 Jahre später an der Zeit, den Anteil an der Einkommenssteuer deutlich zu erhöhen, z.B. auf 20%, denn die Aufgaben, die die Gemeinden leisten müssten, haben ebenfalls deutlich zugenommen.
Das wäre auch dadurch gerechtfertigt, dass etwa 3/5 der Steuern von abhängig Beschäftigten, Einkommenssteuerzahlern und Konsumenten (über die Mehrwertsteuer) bezahlt werden. (Die Kapitalertragssteuer, von der die Gemeinden 30% erhalten, spielt nicht nur im unten abgebildeten Diagramm keine Rolle.
Schaut man sich die kleine Tabelle an, die ich auf der Grundlage der Zahlen von Frau Lepper und die obigen allgemeingültigen Grafiken an, wird klar, dass ein Gemeindehaushalt nicht einfach dem normalen Bürger zu erläutern ist.
Sofern dieser Artikel im Inhalt angreifbar ist, macht das nur deutlich, wie wenig transparent lesbar die Haushaltsplanung im Augenblick für den normalen Bürger abläuft. Ich werde mich dafür einsetzen, das der Haushalt von der reinen Verwaltungsebene auch in eine Bürger-Diskussion gebracht wird.
*1) Haushaltsplanentwurf November 2020 biebertal/bi – haushaltsplan 2020 21
.*2) Bundesfinanzministerium Gemeindeanteil Einkommenssteuer (2015)
*3) Mich hat der Text angeregt, mal die Anzahl und Qualität der Spielplätze fest zu stellen (dürfte der Gemeinde vorliegen). Es muss auch öffentlich dargestellt werden, wozu die Bürgerhäuser genutzt werden. Fellingshausen z.B. hat es 2019 für den „Pakt für den Nachmittag“ aufgegeben. damit verlor u.a. der Schachklub seinen Übungsraum.
*4) das sind der Hessische Städte- und Gemeindebund, in dem in den Kreisen die Bürgermeister/innen vertreten sind sowie der Hessische Landkreistag, vertreten durch die Landräte. Im Hessischen Landkreistag wird derzeit darüber diskutiert, dass die Gemeinden auf keinen Fall auf den Kosten für die 2025 verpflichtende flächendeckende Ganztagsbetreuung sitzen bleiben sollen. Das heißt für mich, das Problem ist zwar erkannt, aber die Kommunen bzw. die Landkreise vertreten ihre Forderungen nicht stark genug.
Hallo Eveline,
wie von Dir gewünscht, so schreibe ich Dir einen Kommentar zu Deinem Artikel, um so eine möglicherweise
sach-orientierte Diskussion zum Thema
„Gemeinde Biebertal hat zu wenig Finanzmittel / Geld – Verschuldung der Gemeinde Biebertal“
anzuregen.
Dein Artikel über die schwierige Finanzlage in Biebertal war sehr interessant und zeigt, dass für Gemeindevertretung + Gemeindeverwaltung + Bürgermeisterin in den nächsten 5 Jahren viel zu tun ist.
Eines der Hauptprobleme von Biebertal ist zudem die hohe Verschuldung – auch aus der Vergangenheit.
Biebertal war unter dem Schutzschirm der Landesregierung Hessen und durfte einige Zeit keine neuen Schulden machen. Dadurch konnten auch keine neuen notwendigen Investitionen in Infrastruktur (z.B. Radwege, Straßenerneuerungen) usw. gemacht werden.
Das Land Hessen übernahm zudem auch Kassenkredite von Biebertal, so etwas wie Dispokredite bei Privatperson.
Unter anderem die hohe Verschuldung – und die aktuell leider hohe Summe von 10 bis 12 Millionen Euro für Neubau Feuerwehrstützpunkt und Bauhof – verhindern aktuell, dass Biebertal, auch z.B. über das Nutzen von neuen Chancen, zu neuem Wachstum und zu mehr Geld für mehr Projekte (für Kinder, Schulen, Senioren, Familien, Hallenbad, Mehrzweckhallen / Bürgerhäuser, Vereine, usw.) kommen kann.
Biebertal hat also tatsächlich seit vielen Jahren eine schwierige Finanzlage.
Die ParteienKooperation steht also wirklich vor einer Mammutaufgabe, wenn sie Biebertal mit der aktuell vorhandenen Finanz-Situation voranbringen will.
Ein „Weiter so“ wie in der Vergangenheit wird keine großen Fortschritte bringen.
Größere Veränderungen werden nötig werden – und dazu wird es dann alle Parteien (auch mit Freie Wähler) im Sinne eines „Gemeinsam für Biebertal“ benötigen.
Dazu müssten dann auch im besten Fall alle Bürger*innen von Biebertal auf den Zukunftsweg mitgenommen werden, so dass es für ein moderneres zukunftsorientiertes Biebertal dann auch
Bürger*innen Beteiligung / Mitabstimmung / Mitsprache
– auch bei Gemeindevertretung-Sitzungen usw. –
benötigen könnte.
Dies bestätigt ja auch die PDF mit dem Haushaltsplan 2020/2021 usw. der Gemeinde Biebertal, der aktuell keine hohen Investitionen in eine bessere Zukunft ermöglichen kann und bei dem auch mehr Einnahmen (z.B. über Gewerbesteuern usw. usw.) nicht vorhanden sind.
Die bisherigen Lösungen, dass die Bürger*innen von Biebertal fast Jahr für Jahr höhere Grundsteuern usw. zahlen sollen, könnten die Bürger*innen auch bald ablehnen.
Fazit:
Gemeinde Biebertal hat aktuell „zu wenig“ Finanzmittel / Geld.
Gute Nachricht! Es könnte auch Lösungen geben, so dass sich die Gemeinde Biebertal nach vorne weiterentwickeln könnte.
Dafür würde es aber größere Veränderungen benötigen. Ein „Weiter so“ wird nicht funktionieren.
Und jetzt bekommen andere Bürger*innen auch die Chance ihre sach-orientierten Lösungsvorschläge beizusteuern, indem sie an einer – wie von Dir gewünschten – Diskussion teilnehmen könnten.
Dies einfach nur zur Information und zum Nachdenken.
Bleibt alle gesund.
Viele Grüße von
Matthias